“Trainer, wie werde ich Schiedsrichter?”

Ahmed Aboumhand ist 29 Jahre alt und stammt aus Marokko. Vor 7 Jahren ist er nach Deutschland gekommen, um hier zu studieren und er beantwortet meine Fragen in nahezu perfektem Deutsch. Jetzt hat der leidenschaftliche Kicker mit Erfolg einen Schiedsrichterlehrgang abgelegt.

 

Vom Spieler zum Schiedsrichter: Ahmed Aboumhand (29.) hat den Schiedsrichterlehrgang erfolgreich absolviert. Foto: SFV

Geschichten über erfolgreicher Integration durch den Vereinsfußball liest man immer häufiger. In dieser geht es aber noch einen Schritt weiter. Ahmed Aboumhand suchte einen Fußballverein und begann als Spieler beim SV West 03 Leipzig. Jetzt läuft der sympathische Marokkaner nicht mehr nur als Spieler auf, sondern auch als Schiedsrichter - Integration 2.0.

SFV: Ahmed, Du bist also in Deutschland angekommen?

Ahmed: Ich bin 2010 allein nach Deutschland gekommen und die ersten Monate waren wirklich schwer. Nach dem ersten Jahr Studienvorbereitung bin ich nach München gegangen. habe gearbeitet und auf einen Studienplatz gehofft. Glücklicherweise hat es dann in Leipzig geklappt. Jetzt studiere ich Wirtschaftsingenieurwesen/Elektrotechnik, wohne im Studentenwohnheim, bin gerade Praktikant bei GGB in Espenhain (Anm. red. Gesellschaft für Geomechanik und Baumeßtechnik mbH) und verdiene so meinen Lebensunterhalt selbst. Also ja, ich bin angekommen glaube ich.

Was ist mit Deiner Familie? Besuchst Du Sie regelmäßig?

Mindestens einmal im Jahr fliege ich zu meinen Eltern nach Marokko, das brauche ich. Es ist aber nicht mehr wie früher. Es fühlt sich an, als wäre ich in Deutschland und Marokko ein Ausländer. Hier habe ich mir ein neues Leben mit vielen Freunden aufgebaut, die ich durch mein Studium und den Fußball kennengelernt habe. Meine Heimat bleibt aber Marokko.


 

"Wir hatten Punktspiel und der Schiri hatte nicht seinen besten Tag."

Apropos Fußball, wie bist Du zu Deinem Verein gekommen?

Das erste Mal habe ich mich 2012 mit Fußball beschäftigt. Ich wollte einfach spielen. Zu Hause habe ich auch schon gespielt, aber ein so strukturiertes Ligensystem gibt es in Marokko nicht. Zuerst habe ich mir auf der Webseite Fussball.de die ersten Informationen geholt. Mein erster Verein war TuS Leutzsch. Da habe ich bei der zweiten Mannschaft angefangen und mein Trainer Chris Rohde hat die ganze Anmeldung organisiert. Zusammen mit ihm bin ich dann auch zu meinem jetzigen Klub SV West 03 Leipzig gewechselt.

Wie kam es letztlich dazu, dass Du Dich für den Schiedsrichterlehrgang entschieden hast? 

Das war eigentlich ein Zufall. Wir hatten Punktspiel und der Schiri hatte nicht seinen besten Tag. Dann habe ich mich gefragt, warum machst du nicht einfach selbst Schiedsrichter? Er hat übrigens auf beiden Seiten Mist gepfiffen. Ja, und als ich gemeinsam mit meinem Trainer ein Spiel gucken war, habe ich ihn gefragt, wie man denn Schiedsrichter werden könne. Er hat mich sofort ermutigt, es zu versuchen. Mein Verein war gerade sowieso auf der Suche nach Schiedsrichtern. Und dann sagte er: "gut, dann bist du bei dem nächsten Lehrgang dabei."

Wie ist der Lehrgang denn gelaufen und warst Du der einzige Teilnehmer mit Migrationshintergrund?

Ich war der einzige, der nicht in Deutschland geboren ist. Beim ersten Versuch bin ich gescheitert, das war richtig schwer. Die Durchfallquote war richtig hoch. Von 30 Leuten haben es nur 5 geschafft. Die Referenten haben das zwar gut gemacht,  es war aber an einigen Stellen zu schnell und zu ungenau erklärt. Das Teilnehmerfeld war aber auch sehr unterschiedlich. Es waren ganz viele Jugendliche dabei und die Teilnehmer hatten ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Da fällt es schwer, alle auf ein Level zu bekommen. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, angepasste Schiedsrichterlehrgänge für verschiedene Personengruppen anzubieten. Im zweiten Versuch war es dann natürlich einfacher für mich. Aber auch, weil ich zusammen mit meinem Freund gelernt habe. Mit 54 von 60 Punkten habe ich die Prüfung bestanden und war ziemlich stolz. Insgesamt dauerte der Lehrgang drei Sonntage. Die ersten beide Tage waren Theorie und am dritten Tag fand der Fitnesstest und die Prüfung statt. Während der Auswertung haben wir noch eine DFBnet Schulung bekommen.

Wie ging es nach der bestandenen Prüfung dann weiter?

Als erstes muss man als 4. Offizieller ein Spiel beobachten. Erst danach kann man als Schiedsrichter eingesetzt werden. Die Schiedsrichterausrüstung hat mir mein Verein gestellt.

Wie lange wird es dauern, bis wir Dich in der Bundesliga sehen?

Da lasse ich mich überraschen. Mein größtes Ziel ist mein Studium und anschließend ein Arbeitsplatz. Trotzdem halte ich mir alles offen. Immerhin haben die meisten Schiedsrichter in der Bundesliga ja auch ganz normale Berufe. Alles ist möglich. Ich erinnere mich an Said Belqola, den marokkanischen Schiedsrichter, der das WM-Finale 1998 zwischen Brasilien und Frankreich gepfiffen hat. Das wäre doch was.

Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Bleibst Du in Deutschland?

Ich fühle mich hier sehr wohl. Ohne zu wissen, ob ich zu Hause Arbeit finde, kehre ich nicht nach Marokko zurück. Dann fange ich ja wieder ganz von vorne an. Wenn ich allerdings die Chance bekomme, würde ich gern zurück in meine Heimat.

Vielen Dank für das Interview.

©Alexander Rabe

Von Integration 2.0