Die neuen Spielformen im Kinderfußball kommen in Sachsen gut an, sagt Oliver Herzberg als Referent für Kinder- & Jugendfußball. Bei Kindern, Eltern und Vereinen, die bereits Erfahrung mit den neuen Spielformen sammeln konnten, sei das Feedback durchweg positiv. Oliver hat sich zu diesem Leuchtturmprojekt zwei Interviewpartner geschnappt, die sowohl aus sicht eines Kreisverbandes als auch aus Vereinssicht berichten.
Herr Herzberg, die neuen Spielformen im Kinderfußball sind ein Leuchtturmprojekt des DFB und seiner Landesverbände. Wie schätzen sie die aktuellen Fortschritte in Sachsen ein?
Wir sind auf einem guten Weg. Es gibt Kreise, wo sich die neuen Spielformen schon etabliert haben. Bei anderen laufen in der aktuellen Saison viele Pilotveranstaltung und zwei, drei sind noch etwas zurückhaltend. Aber auch da gibt es Vereine die sich wenigstens ein Parallelangebot in der Übergangsphase wünschen würden. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in Zusammenarbeit mit allen Kreisen und Vereinen einen guten Übergang schaffen, denn das Feedback von den Kindern, Eltern und Verantwortlichen ist durchweg positiv.
An welcher Stelle muss noch Aufklärungsarbeit betrieben werden?
Die Kinder sind in der Regel kein Problem, denn diese sind interessiert und total offen. Wenn sie dann in der Breite auch noch mehr Erfolgserlebnisse als früher haben, sind sie und auch ihre Eltern überzeugt. Ich denke da in erster Linie an die Jugendleiter und Trainer. Wie auch bei anderen neuen Dingen, gibt es bei einigen Vorbehalte. Und hier versuchen wir mit Schulungen (online oder als Präsenz vor Ort) zu informieren und diese abzubauen. Am Ende müssen es alle selbst erleben und die Reaktionen der Kinder beobachten. Denn um sie und ihre Entwicklung geht es.
Welche Herausforderungen gibt es bei den Vereinen?
In erster Linie die Infrastruktur. Denn bei den Spieltagen und Festivals wird häufig eine größere Anzahl an Minitoren benötigt. Hier unterstützen sich die Vereine aktuell gegenseitig und bringen Tore mit. Einige Kreise und viele Vereine haben schon aufgerüstet und auch wir als Landesverband haben viel Geld investiert und verteilen über Projekte Minitore in ganz Sachsen.
Welche Vorteile bieten die neuen Spielformen für die Kinder?
Vorteile gibt es für Kinder, Eltern, Trainer und auch Vereine (Flyer unter www.sfv-online.de). Alle Kinder bekommen Spielzeit, haben mehr Ballkontakte, verbunden mit vielen Erfolgserlebnissen. Viele Gründe die dazu führen, dass die Kinder hoffentlich langfristig dem Sport erhalten bleiben. Außerdem kann der Spielbetrieb flexibler gestaltet werden. Vereine können auch mit weniger Kindern am Spielbetrieb teilnehmen und Mannschaften und auch Vereine bleiben uns damit erhalten. Wer viele Kinder hat, kann mit mehreren Teams an Spieltagen und Festivals teilnehmen. Es gibt sehr viele Argumente, die für die neuen Spielformen sprechen.
INTERVIEW PAUL LEITERITZ (Leiter Geschäftsstelle KVFSOE)
Hallo, stellst du dich bitte kurz vor. (Name, Kreis, Funktion)
Mein Name ist Paul Leiteritz. Ich bin Geschäftsführer beim Kreisverband Fußball Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (KVF SOE)
Wie steht ihr als Kreisverband zu den neuen Spielformen im Kinderfußball?
Grundsätzlich möchten wir immer wieder neue Anreize setzen, um Kinder und Jugendliche für den Fußball zu begeistern. Deshalb stehen wir den neuen Spielform positiv gegenüber. Seit Mitte 2020 arbeiten wir intensiv an der Verbreitung der Kinderfußball-Spielform in unserem Landkreis. Mit Christian Colceag haben wir einen versierten und engagierten Ansprechpartner gewinnen können.
Was sind/waren Hürden bei der Einführung?
Vereine und Verantwortliche von einer Innovation zu begeistern, ist herausfordernd. Wir versuchen das geduldig und möchten die Vereine dabei ins Boot holen. Mittelfristig sollen so im gesamtem Kreisgebiet Kinderfußball-Turniere gespielt werden können.
Wie ist das Feedback eurer Vereine bisher?
Wir hatten das Glück, dass von Beginn an ein halbes Dutzend Vereine sofort bei der Umsetzung des Projektes involviert und damit die Zugpferde im Kreis waren. Worüber wir uns freuen, ist die positive Rückmeldung aus Vereinen, die erstmalig teilnehmen und von der Fairness und dem Spielerlebnis für Kinder wie Eltern überrascht sind.
Welche Herausforderungen seht ihr noch?
Wir wollen vor allem die Nachwuchsleiter und -trainer der Vereine ansprechen, die aktuell zurückhaltend sind. Am besten gelingt das mit Turnieren vor Ort. Durch das Live-Erlebnis können sie sehen, welche Begeisterung bei den Kindern entfacht wird und wie nützlich die Spielform auch im technischen Bereich sein kann. Zudem ist es uns wichtig, viele geschulte Trainer zu haben. Deshalb freuen wir uns, in Zusammenarbeit mit dem SFV den Lehrgang zum Kindertrainerzertifikat im November anbieten zu können.
Möchtest du noch etwas ergänzen.
Wir möchten, dass das Thema "Kinderfußball" mehr von den Kindern selbst her gedacht wird. Dabei sollte nicht im Vordergrund stehen, wie die letzten 30, 40 Jahre im Nachwuchsbereich Fußball gespielt wurde, sondern was für die fußballerische und soziale Entwicklung unserer kleinsten Kicker am sinnvollsten ist.
INTERVIEW MIT ROLAND OERTEL (TSV IFA CHEMNITZ)
Hallo Roland, stellst du dich bitte kurz vor. (Name, Verein, Funktion).
Mein Name ist Roland Oertel, ich bin seit 13 Jahren als Trainer beim TSV IFA Chemnitz tätig und betreue aktuell, neben meiner Vorstandstätigkeit und Verbandsarbeit (im Kreis und der SFV AG-Kinderußball), die F- und D2-Junioren im Verein.
Seit wann beschäftigt ihr als Verein euch mit dem Thema Kinderfußball bzw. den neuen Spielformen?
Doch schon eine recht lange Zeit. Einige unserer früheren Kindertrainer waren ab 2015 regelmäßig bei FUNiño-Spielrunden im Dresdner Raum zu Gast und berichteten uns von diesen Spielformen. So richtig in Bewegung ist es dann im Sommer 2017 gekommen, als wir mit vier Trainern zur Fortbildung des Kreissportbundes Erzgebirge nach Schwarzenberg gefahren sind. Dort referierte damals Prof. Dr. Dr. Matthias Lochmann und er zeigte uns eindrucksvoll, was im Kinderfußball aktuell falsch läuft und vor allem, wie es besser über die neuen Spielformen gehen kann.
Ein Trainerkollege organisierte über seinen Arbeitgeber eine Spendenaktion und prompt konnten wir im Frühjahr 2018 die ersten 20 Mini-Tore anschaffen. Am Pfingstmontag fand dann unser erstes kleines FUNiño-Festival auf 6 Spielfeldern in den Altersklassen G, F und E statt. Dies wiederholten wir dann am 3. Oktober 2018 auf 11 Spielfeldern und luden dazu auch den damaligen Jugendausschussvorsitzenden Thomas Grandt ein, der sich von Anfang an offen für diese Spielformen zeigte.
Und ab dann, nahm das Thema auch im Kreisverband so langsam Fahrt auf. Nach zwei Spielzeiten im Parallelbetrieb führten wir zu dieser Spielzeit die neuen Spielformen im G-, F- und E-Jugendbereich als verbindlichen Spielbetrieb ein.
Welche Vorteile siehst du?
Für mich bestehen die größten Vorteile darin, dass wir allen Kindern, die Lust auf Fußball haben, gerecht werden. Denn alle Kinder spielen, bekommen ausreichend Ballaktionen und Erfolgserlebnisse.
Wie kommt es bei den Kindern an?
Die Kinder haben großen Spaß an den neuen Spielformen, da jeder seine Erfolgserlebnisse hat. Auch erzählte mir vor kurzem ein Trainerkollege, wie sehr sich seine Kinder wieder auf das nächste Wochenende freuen. Die Vereine, die die ersten vier Spieltage in unserem Kreis ausgerichtet haben, haben sich eine Menge Mühe gegeben und haben jeden Spieltag für die Kids zum Erlebnis gemacht.
Jetzt seid ihr in Chemnitz schon sehr fortschrittlich und weit in der Umsetzung. Welchen Rat hast du für andere Vereine/Kreise?
Ich kann nur den Rat geben, vor allem den Trainern und Vereinen, die die neuen Spielformen auch in ihrer Region spielen möchten, selbst aktiv zu werden und Vereine in ihrer Region und den Kreisverband zu überzeugen Veränderungen anzustoßen.
[Oliver Herzberg]
Alle Informationen zum DFB-Bundesjugendtag findet ihr hier.